Volkmar Kramarz: Status Quo „Pictures of Matchstick Men“


Die Formation Status Quo zählt heute mit dem Gründungsjahr 1967 nicht nur zu den Dienst ältesten Vertretern ihrer Zunft, sondern ganz zweifelsohne auch zu den erfolgreichsten ihrer Art. Es ist wirklich erstaunlich, wie viele – über 112 Millionen – Tonträger diese Band abgesetzt hat und wie sehr sie speziell in England über Jahrzehnte hinweg die sensationellen Abräumer überhaupt waren: Mehr als 100 Auftritte in der legendären Top of the Pops- TV-Show der BBC, 55 Hitsingles mit 22 Top- Ten-Entries und nicht zuletzt uber 30 Alben in den Charts plaziert – nur Mick Jagger und seine Rolling Stones haben da noch mehr geschafft.
Doch wo fing alles an? Nein, es begann nicht mit einem 12-Takt-Rock-Boogie und langen, wehenden Haaren, oh nein, es gab ein ganz entscheidendes Kapitel davor, in einer Zeit, als die Bands noch nicht Rock, sondern Beat spielen und nicht (nur) laut, sondern möglichst auch psychedelisch sein wollen.
Irgendwo dort im Jahre 1967 schlägt sich ein kaum 18jähriger Gitarrist namens Francis Rossi tapfer durch die mittelenglische Musikszene und gründet mit einigen Schulfreunden eine immer wieder neu besetzte Combo: The Scorpions werden bald in The Spectres umbenannt und schaffen es sogar nach einigen Monaten unermüdlichen Tingelns mit Fursprache des bekannten Songwriters Ronnie Scott einen vielversprechenden Plattenvertrag an Land zu ziehen. Doch so recht nutzen können sie die
Chance nicht, im Gegenteil: Innerhalb von kaum einem Jahr produzieren sie einen bemerkenswerten Hattrick von drei Flop-Singles, woran auch ein erneuter Namenswechsel, diesmal zu Traffic Jam nichts ändern kann.
Doch Francis und seine Mitspieler wie beispielsweise Alan Lancaster am Bass geben nicht auf, sondern stürzen sich mit all ihrem jugendlichen Enthusiasmus speziell in die abgefahrene psychedelische Musikwelt der Swinging Sixties und saugen die grellen Einflusse ihrer Zeit wie ein Schwamm auf. Francis nennt sich mittlerweile Mike, auch die Band hat sich mal wieder umbenannt, um nicht mit Steve Winwoods Traffic verwechselt zu werden, und firmieren jetzt also ab Ende 1967 unter der Bezeichnung Status Quo. Außerdem ist neben Organist Roy Lynes noch ein weiterer Musiker, nämlich der Gitarrist Rick Parfitt mit von der Partie. Rick war zuvor festes Mitglied in der Kabarett-Truppe The Highlights, hatte sich aber dort nach einem heftigen Streit abgesetzt und war zu
seinem alten Bekannten Francis und dessen „neuer“ Band Status Quo hinzu gestoßen. Keinen Moment zu fruh, denn bereits im November des Jahres 1967 beginnen die Aufnahmen zum ersten Status Quo- Album. Wie damals üblich, konzentrierte man sich sehr auf eine Single, denn nur damit war damals der eigentliche Durchbruch zu erzielen. Um nur ja nichts falsch zu machen, wollte Francis beziehungsweise Mike Rossi zwar eine eigene Komposition dafur schreiben, jedoch schon sich irgendwie auch betont der Einflusse seiner Zeit bedienen.
Und wie der Zufall es so will, war es neben diversen anderen Inspirationen vor allem ,Hey Joe` von Jimi Hendrix, das dann eine maßgebliche Rolle spielen sollte. Daher begann die Entstehung des geplanten Hitsongs mit einer subdominantischen Folge: Wo ,Hey Joe` ausgehend vom E über C – G  – D – und A zurück zum E führt, ließ Rossi die erste Stufe fort: E – G – D – A und wieder E. Außerdem transponierte er alles nach D-Dur und hatte damit seine Songbasis, den ersten Grundstein gelegt:

D – F – C – G – D
Wie Hendrix wiederholte er diese Formel immer wieder und schon in den ersten Arrangements sind einige weitere Hendrix-Anleihen deutlich zu erkennen: Ein hoher Chor/Orgelton im Hintergrund, das Tempo mit knapp 90 Viertel-Schlägen in der Minute eher getragen und insgesamt der Einsatz von möglichst vielen Effekten: Das brandneue Wah-Wah-Pedal für die Gitarre von Rossi stand ebenso bereit wie reichlich Feder-Hall nebst Band-Echo und sogar das angesagte Flanging, das gerade von den Small Faces in ,Itchy Coo Park` so beeindruckend vorgeführt worden war.
Doch Rossi wollte einen echten Song schreiben, einen, der nicht nur konstant eine Formel wiederholt, sondern beispielsweise auch einen Zwischenteil hat: Erneut wurde es eine subdominantische Folge, diesmal B-F-C. Daneben sollte mit einer schlichten Kadenz

G – A – D auch ein handfester Refrain auftreten und dafür gab es schon früh erste Textfragmente: ,Pictures of ...` doch wie weiter? -
,Matchstick Men` ulkte Francis damalige Freundin, denn allgemein waren solche bizarr-skurille wie gleichermaßen sinnlose Begriffe äußerst angesagt. Und weitere entsprechende –sehr psychedelische- Zeilen waren dazu schnell gefunden:
,When I look up to the skies / I see your eyes a funny kind of yellow` oder: ,You in the sky you with this guy you make men cry you lie`.

Das erinnerte – nicht ganz unbewußt – an Beatles-Texte und sprach in gewisser Weise genau die bekannte Lucy in the sky an, ...